Offener Brief an die Mitglieder des Deutschen Bundestages!

Unsere Forderung zur Einführung der Widerspruchsregelung

Wir plädieren aus den nachfolgenden Gründen klar für die Widerspruchsregelung im Transplantationsgesetz:

  1. Umsetzung des politischen Willens

Im November 2012 wurde das Transplantationsgesetz (TPG) dahingehend geändert, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger ab dem vollendetem 16. Lebensjahr zur Frage der Organspende entscheiden sollen und diese Entscheidung schriftlich (auf einem Organspendeausweis) festhalten sollen. Im Jahr 2012 besaßen 7,8% der potentiellen Organspender (Hirntote mit gesunden Organen) eine schriftlich dokumentierte Entscheidung, im Jahr 2017 waren es 16,0%. Um den im Jahr 2012 gesetzten politischen Willen, dass sich jeder zur Frage der Organspende entscheiden soll, umzusetzen, ist die Einführung der Widerspruchsregelung das richtige Mittel.

  1. Entlastung der Hinterbliebenen

Derzeit müssen bei über 80% der potentiellen Organspender die Hinterbliebenen nach dem mutmaßlichen Willen des Hirntoten gefragt werden, weil kein Organspendeausweis vorliegt. In über 50% der Fälle vermuten die Hinterbliebene den Willen oder entscheiden selbst, weil sie den Willen des Hirntoten nicht kennen. Dies ist in Anbetracht der Trauer über den raschen Tod eine große Belastung für die Hinterbliebenen, die mit der Widerspruchsregelung den Angehörigen genommen werden kann.

  1. Mehr Klarheit

Die Widerspruchsregelung bringt mehr Klarheit, ob jemand im Falle seines Hirntodes als Organspender zur Verfügung steht. Die in Punkt 2 genannte Grauzone von über 50% wäre damit beseitigt. Klarheit bringt nur Vorteile, keine Nachteile.

  1. Stärkung der Transplantationsmedizin

Mit den am 30.10.2018 vom Bundeskabinett beschlossenen organisatorischen Maßnahmen* sind die richtigen Weichen gestellt worden. Darüber hinaus sind diese Maßnahmen bei allen Experten und Politikern unumstritten. Sie müssen beschlossen und verbindlich und nachprüfbar umgesetzt werden. Gleichwohl gilt es, ALLE Möglichkeiten zur Erhöhung der Organspendezahlen zu ergreifen. Mit der Einführung der Widerspruchsregelung würde die Transplantationsmedizin gestärkt werden, da nach der Feststellung des Hirntodes die Organentnahme zur Normalität werden würde, wenn nicht widersprochen wird, d.h., Organtransplantationen würden durch die Widerspruchsregelung deutlicher zur Gemeinschaftsaufgabe.

* eine quotierte/ höhere Freistellung der Transplantationsbeauftragten in den Entnahmekrankenhäusern, eine kostendeckende Vergütung der Entnahmekrankenhäuser für die Explantation inkl. ihrer Vorbereitung und mobile Expertenteams zur Feststellung des Hirntods

  1. Stärkung des Vertrauens

Die Einführung der Widerspruchsregelung würde auch das Vertrauen in die Transplantationsmedizin stärken, da niemand mehr Sorge haben muss, als Unfallopfer nicht jegliche medizinische Hilfe zu bekommen. Die Frage nach einer möglichen Organentnahme stellt sich erst nach Feststellung des Hirntodes. Ohne die Möglichkeit der Transplantation werden bei der Diagnose Hirntod alle Herz- und kreislauferhaltenden Maschinen abgestellt, die Atmung des Patienten hört innerhalb von Minuten oder wenigen Stunden auf. Zusammen mit der möglichen Einführung der Widerspruchsregelung muss die Bevölkerung natürlich umfassend aufgeklärt werden, am besten analog zur großen Reform der Straßenverkehrsordnung von 1974, als jeder Haushalt eine umfassende Broschüre erhielt.

  1. Mehr Organspender

Die Einführung der Widerspruchsregelung würde die Zahl der Organspender erhöhen und damit die Anzahl der Toten auf der Warteliste verringern. Auch wenn sie nicht den Organmangel gänzlich aufheben wird, so würde sie ihn zumindest lindern. In der WELT vom 14.11.2018 findet sich ein Artikel, der beschreibt, dass in Schweden mit der Einführung der Widerspruchsregelung die Organspenderzahlen von 97 auf 195 verdoppelt wurde. Dies übertragen auf Deutschland würde eine Verdopplung von ca. 800 auf ca. 1.600 Organspender bedeuten. (Deutschland hat genau achtmal so viele Einwohner wie Schweden.)

  1. Die Widerspruchsregelung spiegelt den Willen der Bevölkerung wider

Eine repräsentative Umfrage der Barmer Krankenkasse unter ihren Versicherten zeigt, dass eine Mehrheit (58%) für die sogenannte Widerspruchsregelung ist. 84% der Bevölkerung äußert sich positiv zur Organspende; 70% würden ihre Organe spenden (BZgA). Bei einer Widerspruchsregelung stellt die Organspende den Normalfall – und nicht wie bisher die Ausnahme – dar und repräsentiert diese Mehrheitsmeinung der Bevölkerung. In Österreich gilt die Widerspruchsregelung seit mindestens 25 Jahren. In der Tiroler Tageszeitung vom 1.12.2018 wird berichtet, dass in Österreich „aktuell bundesweit 40.742 Personen im Widerspruchsregister eingetragen sind.“ Bei einer Bevölkerung von 8,77 Millionen sind dies 0,46%. Osterreich ist soziokulturell jetzt nicht so viel anders als Deutschland. Wir glauben nicht, dass Millionen Einwohner Deutschlands Widerspruch einlegen werden.

  1. Entscheidungsfreiheit bleibt erhalten

Die Entscheidungsfreiheit eines jeden Menschen ist bei der Widerspruchsregelung in gleicher Weise gewährleistet wie bei der Erklärungsregelung oder Zustimmungsregelung. Alle Menschen in Deutschland könnten sich absolut frei gegen Organspende entscheiden.* Zur Klarstellung und Abgrenzung: in Bulgarien gibt es beim Thema Organspende keine Entscheidungsfreiheit, dort sind alle Bürger Organspender, niemand kann widersprechen, auch die Angehörigen nicht. Dort gilt die sog. Notstandslösung, Es ist das einzige Land Europas, in dem sozusagen eine Organabgabepflicht (bei der Diagnose Hirntod) gilt. Eine Organabgabepflicht in Deutschland strebt niemand an.

* Am sichersten durch den Eintrag in ein Register wie in Frankreich, wo man dies telefonisch, per Brief oder im Self-service machen kann.

  1. Gewissensfreiheit bleibt unangetastet

Da auch bei der Widerspruchsregelung niemand seinen Widerspruch begründen muss, bleibt die Gewissensfreiheit unangetastet.

Die Initiatoren des Appells

Gegen den Tod auf der Warteliste e.V.
Susanne Reitmaier, Vorstand
I.G. Niere NRW e.V.
Mario Rosa-Bian, Vorstand


Liste der bisher zustimmenden Vereine und Gruppen


Unabhängig vom obigen Appell haben sich bereits vorher folgende Organisationen für die Widerspruchslösung ausgesprochen


ALLE Ländergesundheitsminister
(laut NRW-Gesundheitsminister Laumann auf dem NRW-Tag in Essen im September 2018)

Weitere Befürworter


Finanzielle Unterstützung

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Eine Mahnung von 1970 (!) -- leider immer noch angebracht

"Bei der Organtransplantation muss die Gesellschaft letztlich eine harte Entscheidung treffen: Vorrang für das Leben oder für Tabus?"

Jesse Dukeminier Jr.

Persönlich betroffen

Die Interessen der persönlich und familiär vom Organmangel Betroffenen -- auch die der zukünftig Betroffenen -- finden politisch nur unzureichend Gehör. Durch Bildungsarbeit, Aufklärung und gute Argumente setzen wir uns für Reformen ein, die allen nützen.