Widerspruchslösung: Nun auch auf der Britischen Insel und in den Niederlanden

Stellungnahme vom 20. März 2019

Ende 2015 hat WALES, ein Landesteil des Vereinigten Königreiches, das bis dahin geltende Recht der Zustimmungslösung („opt-in") aufgegeben und die Widerspruchslösung (WSL, „opt-out") eingeführt. Damit hat sich Wales eingereiht in die Gruppe der über 20 europäischen Länder, in denen die WSL gilt. Nur in sechs europäischen Ländern, darunter Deutschland, ist noch die Zustimmungslösung in Kraft. (Diese wird in Deutschland offiziell als „Entscheidungslösung" bezeichnet - ohne dass dieser Name aber eine inhaltliche Bedeutung hätte, denn es muss niemand entscheiden.)

Für die Entscheidung der Waliser waren der tägliche Tod auf der  Organ-Warteliste und die Ohnmacht gegenüber diesem Tod der wesentliche Stimulus. Daher spielte in den öffentlichen Diskussionen v.a. die Frage eine Rolle, inwieweit die Widerspruchslösung die Zahl der freiwilligen postmortalen Organspender erhöhen würde.

Den Unterschied zwischen den Organspenderzahlen bei Opt-in und Opt-out zu prognostizieren ist nicht leicht, da noch viele weitere Faktoren eine Rolle spielen. Sehr viele Länderbeispiele sprechen dafür, dass die WSL quantitativ von Vorteil ist. Ein paar Länderbeispiele deuten in die andere Richtung. Letztlich können nur statistische Studien, die sehr viele Wirkfaktoren einbeziehen, eine eindeutige Antwort geben. Und diese fällt positiv aus für die WSL.

Die Befürworter der Opt-out-Regel in Wales rechneten jedenfalls damit, dass dadurch die Zahl der Organspender im Laufe von einigen Jahren um etwa 25% steigen könnte. Diese Erwartung wurde nicht enttäuscht, wie die Tabelle zeigt.

Die Entwicklung der postmortalen Organspende in Wales

JahrPostmortale OrganspenderZustimmung zur Organspende
2012/13
50

50%

2013/14
55

54%

2014/15
60

48%

2015/16
62

59%

2016/17
60

64%

2017/18
74

70%

Quelle: Welsh Government, Together for Health, Annual Report 2018.

Die Reformentscheidung in Wales und die sich anschließende günstige Entwicklung der Spenderzahlen führten dann auch in den anderen Landesteilen des Vereinigten Königreichs zu Diskussionen über eine Neuorientierung. In ENGLAND hat das Parlament im Februar 2019 den Übergang zur WSL beschlossen, die ab 2020 geltendes Recht sein wird.

In SCHOTTLAND hat sich das Gesundheitskomitee des Parlaments im Februar 2019 für die WSL ausgesprochen, die vermutlich noch in diesem Jahr Gesetz werden wird. Auch in NORD-IRLAND wird über die WSL diskutiert, sodass möglicherweise bald im gesamten Vereinigten Königreich die WSL gelten wird. Alle diese Reformen haben ein Ziel: den Tod auf der Organ-Warteliste einzudämmen.

Aber auch auf dem Kontinent hat sich etwas getan: Die NIEDERLANDE haben sich im Februar 2018 für die WSL entschieden, die in 2020 in Kraft treten wird.

Übrigens: das bei einer WSL zwingend erforderliche ELEKTRONISCHE REGISTER v.a. für die einer postmortalen Organspende Widersprechenden, aber auch für die Zustimmenden, musste bei keinem der genannten Reform-Länder noch eingerichtet werden. Es war schon zu Zeiten der Zustimmungslösung vorhanden - und ist auch da wichtig und nützlich. In Deutschland herrscht dagegen noch die Zettelwirtschaft (s. Stellungnahme #4).

Dr. Rigmar Osterkamp, Gründungsmitglied


Finanzielle Unterstützung

Um die Situation zu verbessern und unsere Ziele zu erreichen, benötigen wir finanzielle Unterstützung. Bitte rufen Sie uns an oder spenden Sie. Vielen Dank!

Eine Mahnung von 1970 (!) -- leider immer noch angebracht

"Bei der Organtransplantation muss die Gesellschaft letztlich eine harte Entscheidung treffen: Vorrang für das Leben oder für Tabus?"

Jesse Dukeminier Jr.

Persönlich betroffen

Die Interessen der persönlich und familiär vom Organmangel Betroffenen -- auch die der zukünftig Betroffenen -- finden politisch nur unzureichend Gehör. Durch Bildungsarbeit, Aufklärung und gute Argumente setzen wir uns für Reformen ein, die allen nützen.